Taz - Ein Urheberrecht aus der Steinzeit, zu: "Schutz für Künstler wird modernisiert"

Zu: Schutz für Künstler wird modernisiert
und: Neue Regeln für die digitale Welt,
und: Ein Urheberrecht auf der Höhe der Zeit.

Sehr geehrte Taz-Redakteure,

Ich habe heute mit Grausen ihren Artikel im Brennpunkt vom 6.7.07 gelesen, in dem sie das neue Urheberrecht als "modernisiert" und "die Nutzung neuer Technologien erleichternd" bezeichnen und ich war schlicht geschockt in der Taz einen Artikel lesen zu müssen, der die Änderungen nicht nur beschreibt, sondern willkommen zu heißen scheint.

Ich sehe die Taz normalerweise als wichtige Gegenöffentlichkeit, die sich nicht von großen Firmen kaufen oder zu unüberlegten Artikeln hinreißen lässt. In dem Artikel zum Urheberrecht haben sie sich meiner Ansicht nach allerdings völlig verrannt.

"Auf der Höhe der Zeit" wäre ein Urheberrecht, das die Nutzung neuer Technologien fördert und das Gleichgewicht zwischen Urhebern und Käufern herstellt. Was bleibt davon?

- Bibliotheken dürfen die Möglichkeiten der digitalen Welt so gut wie nicht nutzen.
--> Ich kann schon jetzt effektiv online an einem Rechner in der Uni oder bei sf.net in Amerika arbeiten und habe damit Zugriff auf alle Resourcen. Und ich mache das Routinemäßig. Das Urheberrecht verbietet den Bibliotheken diese Nutzung, die für einen Teil der Gesellschaft bereits völlig normal wurde und noch nicht einmal mehr neu, nur noch nicht mainstream ist. Wir haben das sogar in der WG als Standard-Methode Daten auszutauschen. Wer sich auf einem Rechner online anmeldet, ist effektiv an dem Rechner. Das Urheberrecht dagegen zementiert eine Weltsicht, die längst veraltet ist, und die jeden nur dort sieht, wo er mit seinen eigenen Händen Steine aufheben kann.

- Downloads aus Tauschbörsen sind jetzt automatisch illegal, wenn urheberrechtlich geschützte Titel ausgetauscht werden. Damit sind Tauschbörsen vollständig illegal, denn ich kann erst nach dem Download wirklich feststellen, ob ich wirklich das Gesuchte heruntergeladen habe.
--> Tauschbörsen sind eine neue Art, wie Datenaustausch im Internet funktioniert: Von Mensch zu Mensch wird getauscht, was immer Menschen anzubieten haben. Damit sind sie eine Revolution in der Art, wie wir Daten wahrnehmen. Wir brauchen nur noch den (wahren) Namen des Gesuchten zu kennen und haben es dann fast sofort. Und genau das ist die Essenz dessen, was sich Informationszeitalter nennt. Nicht hemmungslose Informationssucht, sondern die Unabhängigkeit der Daten von physischen Beschränkungen, so dass die Informationen über die Daten ausreichen um die Daten zu bekommen. Diese Revolution soll das neue veraltete Urheberrecht aus der Steinzeit durch juristische Gewalt Ungeschehen machen. Dabei sind Tauschbörsen für die Gesellschaft extrem nützlich, da sie den Zugang zu Daten für Alle ermöglichen, die sich eine DSL-Leitung und einen Computer leisten, was heute keine großen Anschaffungen mehr sind, und da sie nach Unabhängigen Studien keinen Schaden für die Musikindustrie bedeuten, also direkt und ohne Kosten die Verbreitung von Kultur fördern.
-->-> Ausführlicher: http://draketo.de/deutsch/p2p/licht/studie-p2p-auswirkungen-von-tauschbo...

- Jegliche neuen Technologien werden teurer.
--> Geräteabgaben werden erhöht. Wieviel wir mehr zahlen _müssen_ überlassen wir denjenigen, die das Geld kassieren und den Großen unter denen, die uns die Geräte verkaufen.

- Die Rechte der Urheber werden geschwächt.
--> Verwertung von alten Werken auf neuen Medien wird für die Verlage leichter. Nur der Druck des Bundestages sorgte dafür, dass die Urheber überhaupt informiert werden müssen, wenn es um neue Nutzungen geht, auch wenn "die letzte bekannte Adresse" gerade bei Künstlern oft eben nicht mehr existieren wird, sie aber mit etwas Recherche auffindbar wären. In Zukunft wird wohl einfach ein Brief an die bekanntermaßen falsche Adresse gehen und drei Monate später das Werk neu veröffentlicht. "Außerdem können bereits existierende Werke künftig auch ohne Zustimmung des Urhebers in neuen Medien genutzt werden", wenn die Urheber nicht explizit widersprechen. Und da ein Urheber inzwischen nicht wissen kann, ob die Rechte nicht schon an das nächste Unternehmen weitergegeben wurden, werden viele im Regen stehen.

Alles in allem hat das Gesetz damit die Rechte der Nutzer geschwächt (Bibliotheken, Tauschbörsen) und die Rechte der Künstler beschnitten (Verwertung alter Werke) und dabei den Verwertern zusätzliche Einnahmen beschert (Geräteabgaben).
Bei all dem wurde der Einsatz neuer Technologien für die Nutzer der Werke erschwert.

Und daher ist es ein Urheberrecht aus der Steinzeit: Es versucht das Verhalten aus der Welt der Steine in die Welt der Informationen zu zwingen, wo längst andere Regeln gelten und Leute auch von diesen Regeln leben (Beispiel: http://schlockmercenary.com/ - ein frei verfügbarer Webcomic, dessen Autor von ihm lebt, http://trolltech.com - eine Firma, die eine Programmierumgebung freigibt und nur für unfreie Nutzung Geld verlangt und davon sehr gut lebt), und selbst dabei schafft es keine Fairness zwischen Nutzern, Produzenten und Zwischenleuten, sondern fördert hauptsächlich die Zwischenleute, die in der Welt der Informationen immer nutzloser werden, da ihre Aufgabe nun nur mehr in der Sortierung von Informationen, aber nicht mehr im Transport von Steinen, bzw. Daten-Trägern bestehen kann.

Und das Ergebnis haben sie "auf der Höhe der Zeit" genannt und behauptet, dass damit der "Schutz für Künstler ... modernisiert" würde.

Mit der Folge, dass ich nun nichtmal von meinem Rechner aus auf die Uni-Bibliothek zugreifen darf, obwohl die Bibliothek für die Werke bezahlt hat.

Und damit haben sie denen, die das Gesetz gemacht haben, einfach vom Munde geredet, statt selbst über die Auswirkungen des Gesetzes nachzudenken und das Ergebnis davon in den Blickpunkt des Artikels zu rücken.

Ich habe mir von der Taz einen besser recherchierten und vor allem kritischeren Artikel erwartet.

Sie sagen "Kultur und Wissenschaft können sich besser entwickeln, wenn auch Urheber und Verwerter auf ihre kosten kommen", doch sie erzählen im Artikel dann, wie enttäuscht Wissenschaftler von dem Gesetz sind, und dass es die Entwicklung der digitalen Welt hemmt, während die Rechte der Urheber beschnitten werden. Also haben sie "auf ihre Kosten kommen" offensichtlich nicht lange genug geprüft, sondern einfach angenommen, dass das nur mit dem Steinzeit-Modell geht.

Bitte Informieren sie sich auch aus anderen als den offiziellen Quellen der Gesetzemacher und Verwerter (und denen, die ihnen nachplappern).

Ein guter Ausgangspunkt dafür ist das Netzwerk Freies Wissen: http://www.wissensallmende.de/blog/

Mit freundlichen und einen Tag nach dem Schreiben jetzt ein bisschen weniger geschockten Grüßen,
Arne Babenhauserheide
- http://draketo.de

PS: Wenn sie daran Interesse haben, schreibe ich den Leserbrief gerne auch noch einmal in kürzerer Form. Diese Version ist für Sie. Falls sie ihn veröffentlichen wollen, stimme ich der Kürzung zu.

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